// 30.04. – 14.05.18

// Route: Universitätsstadt León // Kolonialstadt Granada // Vulkaninsel Ometepe // Surferparadies San Juan del Sur


Von den Brettern, die die Welt bedeuten

Nein, es geht nicht um’s Theater. Damit habe ich nur was am Hut, wenn Laurita mich dort hinschleppt – ich Banause. Vielmehr haben wir in Nicaragua zum ersten Mal Sportarten auf Brettern ausprobiert, die wir so noch nicht kannten. Angefangen hat es im Norden, in der schönen Universitätsstadt León. Auf der sowohl politisch als auch kulturell sehr aufschlussreichen Free-Walking-Tour machte uns unser Guide Sebastian auf einen ungewöhnlichen Zeitvertreib aufmerksam. 

Vulkane sind zum Runterbrettern da

Viele Reisende, aber auch etliche Einheimische, machen sich regelmäßig auf den Weg zum Gipfel des Cerro Negro. Dieser äußerst junge Vulkan ohne jegliche Vegetation besteht aus so feinem Geröll, dass man dort tatsächlich den Hang hinunter „surfen“ kann. „Volcano Boarding“ nennen es die Locals. Da wir auf unserer Reise keine Gelegenheit für ein kleines Abenteuer auslassen und in Guatemala bereits atemberaubende Erfahrungen mit Vulkanen gemacht hatten, buchten wir einen Truck dorthin.

Nach einer Stunde Fahrt an verschlafenen Dörfern und Feldern vorbei, erreichten wir den Fuß des Vulkans. Er war doch höher als wir dachten, und wir fragten uns, wer jetzt genau die schweren Bretter und das Equipment dort hochhieven sollte. Natürlich jeder selbst, außer zwei Mädels, die dafür zahlten, dass unsere lokalen Guides ihnen die Bretter hochtrugen. Wir schleppten brav unsere massiven Holzboards, einen gelben Mondanzug und unsere Getränke auf die Herr-der-Ringe-Szenerie. Zwischendurch legten wir ein paar Pausen ein, weil der Wind auf dem Kamm des Vulkans so stark war, dass wir zeitweise Richtung Abgrund geweht wurden. Natürlich waren die Ausblicke auch wunderschön, sodass wir auch deswegen innehielten.

Oben ankommen, ging es gleich ans Eingemachte. Nachdem wir ein paar riesigen Flugkäfern ausgewichen sind, die im Affenzahn an uns vorbeisausten, hieß es schon: „Den Arsch bitte fest rauf auf’s Brett und die Füße in den Sand. Zum Gas geben, Bremsen und Lenken nach hinten, nach vorne oder zur Seite lehnen.“ Na dann los. Einmal so richtig in Fahrt, kann man auf den Brettern wohl um die 60 km/h erreichen, der Rekord liegt sogar bei 78 km/h. Wir gingen es etwas gemütlicher an, denn der Chico vor uns machte direkt einen Purzelbaum, gab aber ein Handzeichen, dass alles ok sei. Durch den Fahrtwind, das ganze Vulkangeröll und das ständige Abbremsen bekamen wir schön viel Sand ins Gesicht – trotz Schutzbrille, Bandana und Mondanzug. Die 728 m Abfahrt waren eine coole Sache, waren jedoch viel zu schnell vorbei. Nach spätestens einer Minute ist man unten. Da ist es auch schwer nachzuvollziehen, dass laut unserem Guide mal jemand eine halbe Stunde dafür gebraucht hat. Schade nur, dass wir für einen weiteren Ritt die Bretter nochmal hätten hochschleppen müssen. Lieber ein anderes Mal.


Cerro Negro Stunt – Joernito

Cerro Negro Stunt – Laurita


Die Kraft der Wellen

Weiter im Süden erreichten wir das kleine Örtchen San Juan del Sur, welches in Szenekreisen auch gerne als San Juan del „Surf“ betitelt wird. Zahlreiche Traumstrände locken Wellenreiter aus aller Welt an diesen Teil des Pazifiks. Das wollten wir auch lernen und so nahmen wir als blutige Anfänger ganz klassisch Surfunterricht. Miguel erklärte uns in einer Mischung aus gebrochenem Englisch und schwer verständlichem Spanisch die Mechanik hinter dieser Fun-Sportart. Hinlegen, Paddeln, Bein anwinkeln, Aufstehen, Gewicht verlagern, Spaß haben. Soweit die Theorie, im Wasser war es nicht so einfach. Ein paar Mal habe ich es tatsächlich geschafft, auf dem riesigen Anfängerbrett im Wasser aufzustehen. Laurella fiel es schwerer und sie paddelte und paddelte, um am Ende doch wieder vom Brett gefegt zu werden. Auch wenn das große Erfolgserlebnis ausblieb, hatten wir eine Menge Spaß. Gerade wenn man die Kraft der Wellen spürt. Das könnte mein nächstes Lieblingshobby werden. Aber um so gut zu werden, wie viele der Surferboys und -girls da draußen in der Brandung, braucht es allerdings noch sehr viel mehr Übung und viel Geduld.

Schönheit – so weit das Auge reicht

Abgesehen vom Volcano Boarding und Wellenreiten begeisterten wir uns sehr für die einmaligen Landschaften und die malerischen Städte Nicaraguas. Riesige Seen, der wilde Pazifik, zahlreiche Vulkanformationen sowie die wunderschönen Innenstädte von León und Granada zogen unsere Blicke in ihren Bann. Besonders schön fanden wir die Vulkaninsel Ometepe. Im Herzen des  Nicaraguasee befindet sich dieses kleine Paradies mit den Vulkanen Maderas und Concepción. Wir verzichteten dieses Mal auf einen staubigen Aufstieg. Dafür brausten wir lieber mit einem kleinen Roller über die Insel und entspannten an den Lagunen und Stränden zwischen See und Dschungel. Fast jeden Morgen weckte uns eine Bande Kapuzineräffchen auf ihrer täglichen Tour durch den Garten unseres Hostels. Wirklich böse sein konnten wir den kleinen Strolchen natürlich nicht. Einen kleinen Auszug unserer Eindrücke (hier leider noch mit unserer furchtbaren Kamera) findet ihr in der Galerie. Wir sind begeistert von Nicaragua, daher auch das Titelbild „Soy Nica“=Ich bin Nica :)…

Von angehenden Diktaturen und dem richtigen Timing

Wir hatten sehr viel Glück und bekamen von den Unruhen und Ausschreitungen nur sehr wenig mit, welche Nicaragua seit Mitte April beherrschen. Aufgrund einer umstrittenen Pensionsreform kam es zu friedlichen Protesten der Reformgegner und gewaltsamen und tödlich endenden Niederschlagungen seitens der Regierung, bevor wir nach Nicaragua reisten. Diese ebbten zunächst ab, als Präsident Daniel Ortega dieses Gesetz wieder annullierte. Während unserer Zeit vor Ort beobachteten wir weitere friedliche Märsche der Regierungsgegner, die auch als Trauer um die Verstorbenen gedacht waren. Gegen Ende dort merkten wir, dass die Stimmung bedrohlicher wurde und dass es für uns sicherer war, weiterzureisen. Als wir das Land verließen, hörten wir, dass Straßensperren aufgebaut wurden und dass die Proteste vor allem in der Hauptstadt Managua von Neuem gewaltsam entfacht wurden. 

Die Antipathie gegenüber der Regierung saß tiefer im Volk, als wir zunächst wussten. Denn mit unzähligen Gesetzen und Reformen höhlte der amtierende Präsident den Rechtsstaat und die Demokratie aus, eliminierte oppositionelle Parteien und bewegte sich so auf eine autokratische Regierung zu. Allzu tief möchte ich an dieser Stelle nicht in die politische Diskussion einsteigen, da mir tiefergehendes Wissen fehlt. Dennoch tut es uns furchtbar Leid für die wunderbaren Menschen, die wir dort kennengelernt haben und das vielfältige Land, das zuvor zu einem der sichersten und aufstrebendsten Entwicklungsländer Zentralamerikas mit Wirtschaftswachstum und Perspektive zählte. Wir sprachen mit Einheimischen und auch Mitreisenden, die sich dort eine Existenz aufbauen wollten. Diesen Chancen wird das Volk nun beraubt – sei es die familienbetriebene Unterkunft, unser engagierter Surflehrer, der studentische Stadtführer und viele andere weltoffene Personen, mit denen wir uns ausgetauscht haben. Sie blicken nun in eine ungewisse Zukunft. Die gewaltsamen Proteste dauern an und der Präsident tritt, wie vom Volk gefordert, weiterhin nicht zurück (Stand: Oktober 2018).

Wir hoffen inständig, dass sich die Situation für die Menschen in Nica bald bessern wird und sie sich möglichst gewaltfrei und ohne weitere Opfer gegen die Regierung behaupten können.

– J

Wer sich ein wenig über die aktuelle Lage informieren möchte, kann sich hier ein paar Links zum Thema ansehen:

Deutsch:

www.zeit.de/thema/nicaragua

www.spiegel.de/thema/nicaragua

www.stern.de/politik/ausland/themen/nicaragua-4143966.html

www.latina-press.com/lateinamerika/nicaragua 

Englisch

www.bbc.com/news/topics/cdl8n2ede8zt/nicaragua 

www.todaynicaragua.com/nicaragua-five-months-of-civic-rebellion-in-five-cartoons

2 thoughts on “NICARAGUA – Zwischen abenteuerlichem Wagemut und mutigem Widerstand

  1. Gebt es zu: Ihr seid nur vom Vulkan gerutscht, weil euch der nass-kalte deutsche Winter zum Schlittenfahren fehlt 😜 Aber im Ernst: Sieht echt witzig aus!! Und landschaftlich sowieso toll wie immer😍

    Trotzdem gut zu hören, dass ihr gut aus dem Land gekommen seid. Wie klein die Welt mit ihren Konflikten doch ist…😑

    Liebe Grüße, weiter viel Spaß und alles gute!😊
    Andi

    1. ..wer mag schon nass-kalte Winter.. brrr.. allein bei dem Gedanken stellen sich mir die Nackenhaare hoch ;).. freut mich, dass unsere Pics gut ankommen.. Hoffen wir auf einen guten Ausgang für das aufstrebende Land!

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