// 19.03. – 17.04.18

// Route: Flores // Tikal // Lanquín // Semuc Champey // San Pedro La Laguna (Lago Atitlan) // Antigua

// Flores – Von Licht und Schatten

Unweit der guatemaltekischen Grenze liegt das friedliche Örtchen Flores – unsere erste Station in Guatemala. Der historische Stadtkern befindet sich auf einer Landzunge inmitten des Petén-Itza-See. Mit seinen teilweise überfluteten und bunt bemalten Gassen erinnerte uns das Örtchen an eine Mischung aus Venedig (Italien) und Trinidad (Kuba). Es gab viele kleine Restaurants, Cafés und Bars. Gondelähnliche aber motorisierte Boote schipperten zu den Ausflugszielen rund um den glitzernden See. Von fast überall sahen wir das Wasser und die umgebenden Hügel. Wir gingen gleich auf Erkundungstour und entdeckten einen abgelegenen Strandabschnitt zum Entspannen. Zum Zeitvertreib fuhren ein paar Einheimische dort mit ihrem Motorboot auf dem See herum. Doch nicht nur das – sie hatten hinten auch einen großen Schwimmring befestigt, um ihre Freunde herumzuschleudern. Laurita war neugierig und mutig genug, um zu fragen, ob sie auch mal eine Runde drehen darf. Geschont wurde sie nicht, was man auch ein bisschen im Video sehen kann. Bei wunderbarem Sonnenuntergang ging es mit dem Boot an kleinen Inseln vorbei zurück in die Altstadt, auf die sich langsam ein großer Schatten gelegt hatte.

Durch Zufall erfuhren wir, dass es im Süden von Flores eine kleine Attraktion gibt, die man sich unbedingt anschauen sollte. Aktún Kan hieß das Höhlensystem, das wir erkunden wollten. Offensichtlich wagte es niemand sonst, denn außer uns und ein paar Hühnern war weit und breit kein Mensch. Der ältere Herr am Eingang erklärte, wir könnten die Tropfsteinhöhlen auf zwei Arten erkunden. Den vorderen Teil mit zahlreichen kuriosen Formationen dürften wir auf eigene Faust betreten. Für den hinteren Teil sei jedoch zwingend ein ortskundiger Guide nötig, der uns durch den hinteren Kilometer navigieren müsse. Wir entschieden uns für die große Tour. Der ortskundige Guide war in Wahrheit der 15-jährige Pedro, der sicherlich die Schule schwänzte, um uns die Unterwelt zu zeigen. Wir sollten bald herausfinden, warum sie uns den schmalen Jungen an die Hand gaben und der korpulente Vater im Tageslicht die Tickets verkaufte und genüsslich Bier trank. Zu Beginn bestaunten wir unzählige bizarre sowie wunderschöne Gebilde, die durch die hohe Luftfeuchtigkeit im Schein der Taschenlampen glänzten. Pedro versuchte uns auf sehr nuscheligem Spanisch zu erklären, was die Tropfsteine darstellen sollten. Manchmal war es offensichtlich, doch die meiste Zeit checkten wir es nicht wirklich. Je tiefer wir gingen, desto kleiner wurden die vermeintlichen „Räume“ und bald kamen wir an eine Stelle, die offensichtlich eine Sackgasse war. Der Junge musste sich geirrt haben. „Da sollen wir durch?“, fragten wir. Er nickte und deutete beharrlich auf eine Wand mit einem winzigen Spalt am Boden, nur um wenige Sekunden später darin zu verschwinden. Der Eingang war an dieser stockdusteren Stelle in der Höhle schon weiter entfernt als der Ausgang. Also zogen wir unsere Bäuche ein, nahmen unseren Mut zusammen und folgten dem Chico, in der Hoffnung dies sei die einzige derartige Passage. Das war sie natürlich nicht und so überquerten bzw. durchkrochen wir noch ein paar mehr dieser herausfordernden und rutschigen Felsspalten mit diversen Kakerlaken und vielen Fledermäusen. Irgendwann erblickten wir etwas erschöpft, schlammig und stolz das Licht am Ende des Tunnels. Für Klaustrophobiker wäre diese spannende Nachmittagsbeschäftigung sicher nicht das Richtige gewesen. Für alle anderen heißt es: machen! Auch kann ich als Tipp hinzufügen, sich Tobesachen anzuziehen, wie es im norddeutschen Fachjargon heißt (siehe Fotos).

// Tikal – Die Geheimnisse der Maya

Flores eignet sich nicht nur für Höhlenliebhaber, sondern dient vielen auch als Startpunkt für Ausflüge nach Tikal – eine der antiken Hauptstädte der Maya. Noch etwas zerkratzt und müde von der Höhle, machten wir uns um 4 Uhr morgens auf die Socken, um pünktlich um 6 Uhr dort anzukommen. Die frühe Stunde half uns, sowohl der Mittagshitze als auch den Touristenströmen zu entfliehen. Verglichen mit dem Massenauflauf und den Ramschläden in Chichén Itzá (Mexiko), ist Tikal eine wahre Oase der Ruhe mit Vogelgezwitscher und brüllenden Affen. Eine gewisse Magie umgibt die Stätte, die vom 6. Jh. v. Chr. bis zum 10. Jh. n. Chr. bewohnt, dann plötzlich verlassen und erst vor kurzem wiederentdeckt wurde. Niemand kann bisher genau sagen, warum diese einst mächtige Metropole unterging. Einige Theorien sprechen von Krankheiten, Kriegen oder Aufständen gegen blutige Herrschaften. Sogar die Ankunft von Außerirdischen gilt manchen als Grund für das plötzliche Verschwinden hunderttausender Maya. Die menschlichen Überreste, die für einen gewaltsamen Exodus sprechen würden, wurden bislang nicht gefunden. Es war erstaunlich zu sehen, wie der Dschungel die untergegangene Großstadt langsam aber sicher zurück eroberte. Es dauerte Jahrzehnte, bis viele der Tempelanlagen wieder mühevoll freigelegt wurden. Bis heute ist das gesamte Ausmaß Tikals weder bekannt noch erschlossen. Mehrere riesige (Stein-)Haufen Arbeit warten hier auf die nächste Archäologengeneration (an dieser Stelle Grüße an Jördis, wir haben schon mal ein gutes Wort für dich eingelegt ;-). 

// Einmal quer durch’s Land bitte

Der Weg weiter Richtung Süden führte uns an dem Naturspektakel Semuc Champey vorbei. Die Straßen dorthin hätten den Namen Buckelpisten verdient, aber das Geschüttel und Geruckel lohnte sich allemal. Im nahegelegenen Lanquín bezogen wir zunächst unsere kleine Unterkunft im Vista Verde. Das Hostel aus Naturmaterialien lag mitten im Dschungel direkt am Hang und vom Pool aus genossen wir den Sonnenuntergang mit traumhaften Ausblick (siehe Video). Am nächsten Tag startete unser Trip nach Semuc Champey wie gewohnt holprig. 20 Abenteuerlustige mussten im Stehen auf einer winzigen Pick-Up-Ladefläche Platz finden, um das Naturschutzgebiet zu erreichen. Als uns monsunartiger Regen überraschte, überreichte uns der Fahrer kurzerhand eine Plane, um den größten Schaden abzuwenden. Nun klammerten wir uns an Truck, Nebenmann und Plane gleichzeitig, während die Route immer abenteuerlicher, kurviger und schlammiger wurde. Leider reichte das improvisierte Dach nicht ganz über alle Köpfe, und wir durchnässten doch etwas früher als gedacht. Endlich in Semuc Champey angekommen, ging es nicht sofort zu den berühmten Badeterrassen sondern erst einmal zu einer alten Fledermaushöhle. Nur mit ein paar Kerzen als Lichtquelle ausgestattet, wagten wir uns in die Dunkelheit. Die Höhle war meist hüfttief mit Wasser bedeckt, wirklich zappenduster, kühl und ziemlich verrußt. Ein paar steile Passagen mussten auch hier überwunden werden und Sprünge ebenso. Einige anfangs Abenteuerlustige in unserer Gruppe hatten die Badehosen gleich etwas voll. Wir hatten jedenfalls viel Spaß, obwohl wir uns den Arsch abfroren.

Anschließend stiegen wir bei Sonnenschein hoch zum Mirador (Span. für Aussichtspunkt), um die Wahnsinnsaussicht zu genießen. Dadurch wärmten wir wieder auf. Nach dem Abstieg konnten wir endlich in den türkisblauen Terassen des Rio-Cohabon baden, die wir vorher noch von oben bewundert hatten. Es ist ein wahrhaftig schöner Fleck Erde, kann ich euch sagen. Ob sich die insgesamt 20 Stunden An- und Abreise und eine vom Regen geplatzte Hose dafür gelohnt haben? Ein ganz klares Ja! Wir mussten dort ja sowieso vorbei – so halb ;-).

Unsere Rückfahrt mit dem Viehtransport konnte die Dramatik der Hinfahrt noch übertreffen. Der Regen ergoss sich zwischendurch sintflutartig über die Straßen und es stürmte. Ein Baum stürzte in eine Stromleitung und versperrte uns den Heimweg zum Hostel. Dabei wartete doch die warme Dusche sehnsüchtig auf uns bzw. wir auf sie. Paulus, unser Kumpel aus den Niederlanden, sah bei der Straßenbefreiungsaktion aus wie ein neonfarbener Angry Bird. Nur die drahtigen, käseweißen Wanderbeinchen schauten aus dem quietschgrünen Poncho heraus. Die Hose konnten wir nur erahnen. Ihn in dieser Situation zu beobachten, hatte etwas von Slapstick. Erst kümmerte er sich hingebungsvoll und schon etwas angeheitert um den Baum, inspizierte die Lage und „half“ den Einheimischen. Am Ende war das Wegbier jedoch wichtiger ;). Derartige Ausflüge schweißen Reisende bekanntlich zusammen und so feierten wir gemeinsam mit Franzosen, Holländern, Engländern, Guatemalteken und Australiern den Abschluss des Tages in Lanquín.

// Traumhafte Idylle – Living la vida local

14 Reisestunden mit Kleinbus und Boot später erreichten wir San Pedro La Laguna am idyllischen Atitlan-See. Uns reizte der See besonders wegen seiner schönen Landschaften und der qualitativ hochwertigen sowie preisgünstigen Sprachschulen. Auf der Fahrt dorthin lernten wir Markus aus Oberbayern kennen. Er hatte bereits seit vier Wochen Spanischunterricht in San Pedro hinter sich und legte uns die Sprachschule Orbita wärmstens ans Herz. (Randnotiz: Wir glauben, dass Markus immer noch dort ist. Er war schon sehr tief in das Leben mit den Einheimischen eingedrungen und schwärmte von einem Stück Land am See.) Wir folgten seinem Rat und saßen am nächsten Tag mit René, dem Besitzer der familiären Sprachschule, an einem Tisch. Durch seine lebensfrohe und charmante Art überzeugte er uns augenblicklich von den Qualitäten seiner Schule. Wir entschieden uns, für zwei Wochen hier zu bleiben und wieder die Schulbank zu drücken. Mein Spanisch benötigte dringend eine Frischzellenkur und Laurita musste es von Beginn an lernen.

Zurück in der Schule mit Inhaber René und seiner Frau Milka. Sie kennt und liebt übrigens Milkaschokolade.

// Back to School

In San Pedro hatte uns das erste Mal nach drei Monaten Reisen der Alltag zurück. Der Unterricht begann pünktlich um 8.30 Uhr. Da wir schlauerweise für die erste Woche eine kleine Wohnung samt Küche und Bad direkt in der Schule hatten, kamen wir auch gar nicht so oft zu spät ;-). Die Schule war anders, als alles was wir vorher kannten. Wir hatten alle nebeneinander unseren Einzelunterricht. Hinter unseren Klassenkameraden konnten wir uns nicht verstecken und waren immer dran, die Fragen zu beantworten und die Grammatik zu erklären. Wir saßen in der Schule immer an der frischen Luft und hatten einen phänomenalen Blick auf die Berge und den See. So macht lernen Spaß! Unsere Lehrer und Lehrerinnen waren äußerst kompetent, aufmerksam, freundlich und sprachen zu unserer Freude kristallklares Spanisch. Für die meisten Einwohner San Pedros ist Spanisch die Zweitsprache. Daher gibt es im Gegensatz zu vielen anderen Orten Lateinamerikas kaum lokale Dialekte und Eigenheiten. Innerhalb der Familie sowie unter Freunden sprechen die Einheimischen teilweise noch die alten Maya-Sprachen wie etwa Kakchiquel oder Tz’utuhil. So wie ihre Namen klangen auch die Sprachen selbst, wenn wir sie zu hören bekamen.

Wir mit unseren bezaubernden Lehrerinnen. (von links: Marie, Laurita, Liz, Jörnito)

Durch den intensiven Unterricht und die gemeinsamen außerschulischen Aktivitäten, wie Volleyball spielen, Strandbesuche oder Filmabende, bauten wir sehr schnell ein freundschaftliches Verhältnis zu unseren LehrerInnen und MitschülerInnen auf. Außerdem war es toll, Einblicke in die kulturellen Traditionen und Maya-Bräuche der Einheimischen zu erhalten. Das frohe Markttreiben, der Anblick farbenprächtiger Kleidung, die lokale Handwerkskunst, das leckere Essen und die Geheimnisse der Schokoladenzubereitung bestimmten unsere Schulzeit in San Pedro. Mit bunten Hosen mischten wir uns unter die „Locals“ und kauften unsere Lebensmittel wie Profis zur richtigen Tageszeit auf dem großen Wochenmarkt. Bei einem kurzen Schokoladenworkshop lernten wir allerhand dazu, formten und verpackten selbstgemachte Schokolade in einer kleinen Wohnzimmermanufaktur. Für eine einheimische Teilnehmerin waren jedoch Lauras blonde Haare und nicht die Schoki die Attraktion und so bekam sie eine kostenlose Kopfmassage.

Darüber hinaus hatten wir das Glück, genau in der Woche vor Ostern in San Pedro zu sein. In dieser Woche feiern die Christen im ganzen Land die Heilige Woche – die Semana Santa. Von festlichen Kanonenschlägen geweckt, konnten wir an den vielen farbenfrohen und andächtigen Prozessionen teilnehmen. So wurden zum Beispiel in der Nacht zum Karfreitag die Wege der Innenstadt mit knallbunten Naturteppichen aus Blüten, gefärbten Sägespänen und anderen organischen Materialien geschmückt. Die Gläubigen verbringen jedes Jahr die gesamte Nacht mit der Fertigstellung dieser Kunstwerke und beten, dass es nicht regnen möge. Die auf den Teppichen stattfindenden Prozessionen wirkten auf uns sehr hypnotisierend. Begleitet vom starken Geruch des Weihrauchs bewegten sich die Anhänger dieser Tradition wie in Trance. Kurz danach fegten die Einwohner ihre akribisch geformten Teppiche einfach von der Straße. Wie bei der Kreation buddhistischer Mandalas scheint auch hier der Weg das Ziel zu sein.

// Auf der Nase herumtanzen

An unseren freien Wochenenden machten wir uns auf, die Gegend um den See herum zu erkunden. Umgeben von drei inaktiven Vulkanen und vielen Bergketten, bot es sich an, einen dieser Gipfel zum Sonnenaufgang zu besteigen. Wir entschieden uns für die vermeintlich leichteste Variante und erklommen die Nariz del Indio (zu deutsch Indianernase). Die Bergkette am Westende des Sees bekam ihren Namen natürlich wegen ihres markanten Profils. „Total“ motiviert sprangen wir frühs um 3 Uhr aus den Federn, um uns mit Manuel, einem älteren Herren, auf den Weg zu machen. Ein bisschen zweifelten wir wegen dieser frühen Uhrzeit schon an unserer Entscheidung, aber die Aussicht von der Nase ließ alle Bedenken verfliegen. Ausgerüstet mit Stirnlampen, führte uns der Weg in der Dämmerung vorbei an Kaffeeplantagen, verträumten Bergdörfern und Wiesen mit grasendem Vieh. Oben angekommen, servierte Manuel pünktlich eine halbe Stunde vor Sonnenaufgang frisch aufgebrühten Kaffee und wir blickten gespannt Richtung Osten. Dort hüllte sich der Himmel in stetig wechselnde Rot-, Orange- und Lilatöne während die Sonne über dem See aufging. Bei perfekten Sichtverhältnissen konnten wir am Horizont bereits unser nächstes Abenteuer erahnen. Dort spuckte der Vulkan Fuego bereits fleißig große Aschewolken in den morgendlichen Himmel. Aber dazu später mehr. Vorher wartete noch eine Action-Sportart auf uns.

Blick auf die Indianernase von der Schulbank aus.

// Über den Wolken

„Hier am See kann man ja Paragliden!“, meinte Laurita beim Frühstück begeistert zu mir. Nach ein wenig Recherche fand sie heraus, dass eine Truppe aus Österreich sich in Panajachel, dem größten Örtchen am See, ganz dieser sportlichen Leidenschaft verschrieben hatte. Die Erinnerung an mein letztes Fallschirm-Erlebnis war noch sehr präsent. Am heimischen Barther Flughafen stürzte ich mich 2016 mit meinen Kumpels Feli, Howie und Ansgar, der eigentlich Phil sein sollte, aus einer kleinen Cessna. Deshalb wurde mir ein wenig mulmig bei dem Gedanken an Paragliding. Der Teil nachdem der Fallschirm aufgegangen ist, ist  ja bekanntlich der schöne Part. Diesen kann man beim Paragliden zum Glück die ganze Zeit genießen. Mit diesen Gedanken konnte ich meinen Magen vorerst beruhigen. Ein paar WhatsApp-Nachrichten später hatte Laura mit Christian, dem österreichischen Neuguatemalteken, einen Termin vereinbart. Also machten wir uns auf, die Jungs von Realworld-Paragliding zu besuchen.

Nach einer kurzen Vorstellungsrunde fuhren wir mit einem vollgepackten Van die Berge hoch, um schließlich an einem Abhang zu halten, hinter dem es circa einen Kilometer in die Tiefe ging. „Da wollen wir also runter?“, bemerkte ich wie immer scharfsinnig. Die Guides begannen sofort damit, die Schirme zu präparieren und sich und uns startklar zu machen. Laurita flog mit Cesar und ich bekam den langen Andres zugeteilt. Das Matching zwischen Pilot und Passagier hätte nicht besser sein können. Denn im Nachhinein erfuhren wir, dass Cesar zu den besten Akrobatik-Paraglidern der Welt gehört und die Woche darauf zu Wettkämpfen nach Spanien fliegen sollte. Nicht auszudenken, ich wäre mit meinem rebellischen Magen mit ihm in der Luft rumgewirbelt und wäre die Zickzackschleifen geflogen. Laura sollte jedoch einen riesigen Spaß mit ihm haben. Also flogen wir los über den geliebten Atitlan-See. Meine Beschreibung in Worten endet hier. Ich denke, die Bilder und Videos aus der Vogelperspektive sprechen für sich. Es war einmalig für uns! Ein Gefühl von Euphorie und Freiheit machte sich breit, das man in dieser Form selten erlebt.

// Antigua – Untergegangene Schönheit

Am Fuße dreier Vulkane lag 80 km weiter westlich unser letztes Ziel. Die einst untergegangene und verlassene Hauptstadt Guatemalas: Antigua-Guatemala (zu deutsch Alt-Guatemala). Nachdem die Stadt 1773 durch ein Erdbeben komplett zerstört wurde, verlegte die damalige Regierung die Verwaltung in die Region der heutigen Hauptstadt Guatemala-City. Antigua wurde als Stadt glücklicherweise nicht aufgegeben, erholte sich aber nur sehr langsam von den Naturkatastrophen. Mittlerweile floriert sie als Knotenpunkt für Naturausflügler und Digitalnomaden. Das Klima ist mit konstanten 25° Grad ganzjährig angenehm warm, die Lebenshaltungskosten sind günstig und die Natur wartet direkt vor den alten Stadtmauern. Wir haben uns sofort in die bunten Straßen Antiguas und das ländliche Flair verliebt. Unzählige kleine Cafés, Restaurants und Handwerksläden umgeben die Ruinen eingestürzter Sakralbauten und zahlreiche Wanderwege führen zu beindruckenden Aussichtspunkten über die Stadt und die Landschaft.

// Naturgewalt – Wie im Kino

Das Highlight aller Wanderungen bei Antigua ist die Route auf die Vulkane Acatenango (3976m) und Fuego (3763m). Wir kamen im kuscheligen Hostel Wicho & Charlie’s unter, welches sich auf Wanderungen zu den Vulkanen mit einheimischen Guides spezialisiert hat. Täglich checkten wir akribisch die Wettervorhersagen, denn oft hängen die Vulkankrater in einer Wolkendecke. Ein Ausflug macht daher nur bei klarer Sicht so richtig Spaß, denn einfach ist der Aufstieg nicht. Gut viereinhalb Stunden Kraxeln auf Vulkanasche verteilt auf 1500 Höhenmeter sind es bis zum Basiscamp bei 3600 Metern am Hang des Acatenango. Wer dann noch Kraft und Lust hat, kann für vier weitere Stunden zum Kamm des Fuego und wieder zurück wandern.

Wir warteten also auf optimale Bedingungen und genossen so lange das Leben in Antigua. Der Genuss fand allerdings ein schnelles Ende, als Laura an einer heftigen Lebensmittelvergiftung erkrankte und drei Tage ans Bett gefesselt war. Kurz überlegten wir, weiterzureisen und die Vulkanwanderung auszulassen. Zum Glück entschieden wir uns dagegen. Laura erholte sich langsam von der fiesen Magen-Darm-Sache und fand wieder zu Kräften. In einem Schlafsaal mit sechs Anderen war das nicht unbedingt die leichteste Übung. Nach einer Probewanderung auf den kleineren Hobbitenango, der einer Hobbit-Siedlung aus den Herr-der-Ringe-Büchern nachempfunden ist (Fotos s.o.), mobilisierten wir unsere Kräfte und starteten an einem strahlend schönen Montag bei besten Bedingungen ins Abenteuer. 

Es war um einiges steiler, heißer, rutschiger, kälter und länger als auf manchen Webseiten beschrieben. Zum Glück befanden wir uns in guter Gesellschaft. Wir freundeten uns schnell mit unseren „Leidensgenossen“ an und verkürzten uns so den Aufstieg mit lustigen Geschichten. Viele Grüße an dieser Stelle an Fabian und Josi. Ohne euch hätte es nur halb so viel Spaß gemacht! Unser Guide Widman war zudem richtig cool und sehr verständnisvoll für unsere mäßig gestählten Körper und gönnte uns gelegentliche Erholungsmöglichkeiten. Zum Glück machte die Höhe uns nichts aus. Wir hatten vorher von Anderen gehört, dass sie die Wanderung abbrechen mussten, weil sie die Höhenkrankheit bekamen. Trotzdem war es für meine gerade genesene Laurita bei ständigem Puls von 180 und Asthma ein kleiner Kraftakt. Wir hielten durch und kamen mit pulsierenden Gliedmaßen überglücklich und erschöpft am Basiscamp an. Unsere vorgeeilten Guides warteten bereits mit frisch aufgebrühtem Kakao.

Unsere Wanderung ins Basiscamp wurde bereits von lautem Donner und Krachen begleitet. Als wir um die finale Bergwand bogen, sahen wir endlich mit eigenen Augen, was dort die ganze Zeit geschah. Der Nachbarvulkan Fuego spuckte alle 10-20 Minuten große Aschewolken in den Abendhimmel, stets angekündigt von einem lauten Knall. Wir konnten unseren Augen kaum trauen und blickten gebannt auf den gegenüberliegenden Krater. Lange Zeit für Erholung blieb zumindest für mich nicht, denn gemeinsam mit ein paar Übermotivierten entschied ich mich, weiter auf den ausbrechenden Fuego zu steigen. Nachdem ich mittlerweile jeden Beinmuskel merkte, kamen wir pünktlich zum Sonnenuntergang am Hang des aktiven Vulkans an. Laura blieb im Basiscamp und genoss die atemberaubende Aussicht auf den bereitgestellten Liegestühlen. Sie konnte uns von dort aus als kleine Punkte vor dem Krater ausmachen. Es war für uns beide wie im Kino – nur viel besser!

Am Hang des Fuegos wurde ich Zeuge zahlreicher weiterer Eruptionen aus nächster Nähe. Die Dämmerung setzte bereits ein und so wurden die Aschewolken nun auch von tausenden leuchtenden Lavapunkten begleitet. Diese Erfahrung war unvergleichlich schön. Auch hier sprechen die Bilder mehr als meine Worte. Es war für uns wahnsinnig schön, spektakulär und faszinierend, dieser Naturgewalt so nah zu sein. Trotz der höllenähnlichen Geräusche fühlten wir uns stets in Sicherheit und unsere Vulkanfaszination überstrahlte unsere Ehrfurcht.

Wieder im Camp angekommen, genossen wir in bunter Runde mit Gitarrenmusik den Rest des Abends mit Pasta, Wein, Rum, Marshmellows und Kakao am Lagerfeuer – ständig begleitet vom Feuerspiel des Fuego gegenüber. Irgendwann überkam uns dann doch die Müdigkeit und so zitterten wir uns trotz dicker Schlafsäcke im Zelt bei Temperaturen um den Gefrierpunkt durch die Nacht. Geweckt wurden wir pünktlich um 5 für den strahlenden Sonnenaufgang. Nach stärkendem Frühstück wagten wir uns an den Abstieg, der uns sichtlich leichter fiel. Euphorisch konnten wir die Hänge herrunterrutschen und mein Zielbier am Fuß des Vulkans schmeckte, obwohl es aus Guatemala kam, köstlich! 

// Faszination Fuego – Lebensader und Lebensgefahr

Die vorherigen Zeilen schrieb ich mit sehr gemischten Gefühlen. Mit Trauer und Entsetzen verfolgten wir die Nachrichten vom Sonntag, dem 3. Juni, als der Vulkan „Fuego“ (zu deutsch: Feuer) viel stärker als sonst üblich ausbrach und über einhundert Menschen das Leben kostete. Wir waren zu diesem Zeitpunkt bereits im über 1000km entfernten Panama. Aber das hätten wir sein können, stellten wir mit Gänsehaut fest.

Es ist nicht einfach, die Mischung aus Faszination und Gefahr zu dieser Naturgewalt zu beschreiben. Auf der einen Seite gedeiht das Leben auf der fruchtbaren Asche und die Einheimischen leben von der Landwirtschaft und den Touren dort. Auf der anderen Seite gibt es im Notfall kein ausreichendes Warnsystem vor der alles verschlingenden Lava. Es gab mehrere Gründe, warum genau diese eine Eruption am 3. Juni 2018 so katastrophale Folgen hatte: 

  • Desensibilisierung der Einheimischen und Touristen für Eruptionen, da der Vulkan tagtäglich im Zehnminutentakt ausbricht
  • Sehr schlechte bis keine Sicht auf den Vulkan am Tag der Eruption, bedingt durch Regen und viele Wolken, sodass die Menschen nicht erkannten, dass es sich um eine Gefahrensituation handelte
  • Fehlende professionelle Warnsysteme in den kleinen Kommunen rund um den aktiven Vulkan

Ich bin dankbar, dass die Mitarbeiter im Wicho & Charlie’s den Hinterbliebenen nach dem Unglück so tatkräftig unter die Arme gegriffen haben, ihnen bei der Wasserversorgung halfen, sie mit Lebensmitteln und Kleidung eingedeckt und den Wiederaufbau unterstützt haben. Gemeinsam mit Familie und Freunden konnten wir auch ein wenig Spenden und das Hostel direkt bei der Arbeit unterstützen. Wer in dieser Form auch unterstützen möchte, kann sich gern die beiden Organisationen WorldCentralKitchen und CaliforniaCommunityFoundation ansehen. Diese wurden uns von Wicho & Charlie’s empfohlen, nachdem sie nun ihre Unterstützung aus Mangel an Ressourcen einstellen mussten. Mittlerweile kann man die Vulkane wieder besteigen, was einigen im ersten Moment vielleicht etwas seltsam anmutet. Jedoch sei angemerkt, dass wir die Erfahrung gemacht haben, dass die Einheimischen ihre Vulkane lieben, diese Touren aus Leidenschaft anbieten und es schlicht ihre Lebensgrundlage ist.

Letztendlich ist jeder Vulkan eine unvorhersehbare Naturgewalt – wunderschön und gefährlich zugleich. Für uns war dieses Erlebnis einer der Höhepunkte unserer bisherigen Reise.

– J & ein bisschen L 😉

1 thoughts on “GUATEMALA – Kleines Land voller Wunder

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.